Catlike Movement

Ein lesenswerter Gastbeitrag zu Kit Laughlin’s „Stretch Therapy“ Methode!

Catlike Movement

Hallo Trainingsnomaden! Es freut mich, dass ich hier als treuer Leser einen Gastbeitrag schreiben darf. Heute geht es ums Dehnen. Wer im Internet nach Methoden zur Verbesserung der Beweglichkeit sucht wird früher oder später auf Kit Laughlin und sein System „Stretch Therapy“ stoßen. Kit macht gerne den Vergleich zwischen Katzen und Hunden in Bezug auf unseren eigenen Körper und Bewegung. Das Ziel ist es langfristig „Catlike Movement“ zu erreichen: Vergleichen wir mal in Gedanken eine beliebige Katze und einen Mops ist schnell klar was ich meine. Grazil, sanft, elegant, leichtfüßig – aber wenn es darauf ankommt blitzartig stark, agil und beweglich – das ist es was wir wollen. Leider sind wir viel zu oft zu wenig „catlike“. Kommt euch bekannt vor? Mir auch. Vor rund 1,5 Jahren kam ich mit Mühe und Not mit den Fingerspitzen auf den Boden – keine Glanzleistung und keine Basis für geplante Turnübungen. Doch das sollte sich ändern.

Seitdem besuchte ich zahlreiche Workshops mit Kit bis hin zum „Stretch Teacher“; ein Internship nächstes Jahr ist in Planung. Ich bin noch nicht am Ziel aber schon weiter als ich es gedacht hätte. Ich versuche euch heute einen kleinen Überblick meiner Erfahrungen mit dem System Stretch Therapy zu geben, da es mich sehr überzeugt hat.

Mein Pancake im Oktober 2015; eine super Steigerung für mich. Früher konnte ich kaum aufrecht mit gespreizten Beinen auf dem Boden sitzen.

Eines vorweg: Jeder kann meiner Meinung nach beweglicher werden! Facebook, Instagram und Co geben uns jedoch oft ein falsches Bild von Idealen und Zielen die wir uns in den Kopf setzen und deren Erreichung oft länger dauert als man es sich es vorstellt. Oftmals sieht man nur das beeindruckende Endergebnis und nicht den Weg. Wer nicht bereits im Kindesalter eine gewisse Beweglichkeit erlangt hat, braucht Geduld und muss das Dehnen anders angehen. Kits System ist effektiv, aber keine Zauberei: Finde deine Schwachstellen, bearbeite sie mit den richtigen Werkzeugen und mache stetig Fortschritte. Und besonders wichtig: bleibe geduldig!

„It will not happen in one day, but one day it will happen“ (unbekannt)

Wer bisher nur vor dem Schreibtisch gesessen hat und erwartet in einem Monat in den Spagat zu rutschen liegt leider falsch. So funktioniert der Körper einfach nicht. Wer denkt er schafft niemals einen Spagat liegt jedoch genauso falsch. Behandle dein Beweglichkeitstraining gewissenhaft. Wieso sollte es wenig Mühe kosten außergewöhnlich beweglich zu werden? Ich bin durchweg überzeugt von Kits System. Aber um es nochmal mit seinen Worten zu sagen:

„In order to get flexible you have to stretch a lot.“

Ich bin selbst (noch) keineswegs in irgendeiner Form super beweglich, war es auch nie, erst recht nicht im Jugendalter. Vergleiche ich mich aber mit mir selbst vor 1,5 Jahren (so lange dehne ich mich ungefähr ernsthafter) und schaue in die Zukunft habe ich absolut keine Zweifel daran, dass Positionen wie Pancake, Spagat, Vorbeuge und eine saubere Brücke nur eine Frage der Zeit sind.

 

Was ist jetzt also Stretch Therapy?

Grundsätzlich besteht das System aus den folgenden drei Hauptkomponenten:


Contract-Relax (C-R):
Kurz gesagt, Kontraktion der betroffenen Muskelpartie in der Dehnposition für eine bestimmte Zeit um den Bewegungsradius nach anschließendem Entspannen zu vergrößern. Ich gehe weiter unten nochmals darauf ein.


Teilpositionen:

Endpositionen wie z.B. Spagat werden in unterschiedliche Teilpositionen aufgeteilt. Es lohnt sich viele Positionen durchzuprobieren und seine persönlichen Schwachstellen zu finden um diese dann gezielt zu bearbeiten. Man sollte in keine stupiden Muster verfallen und sich nicht auf die immer gleichen Übungen fixieren. Die Übungen die am meisten wehtun und am wenigsten Spaß machen sind oft die, die gemacht werden müssen, um Fortschritte zu erzielen. Die „Mastery Series“ (siehe Referenzen am Ende) fassen diese Teilpositionen als Video für kleines Geld gut zusammen. Das Buch „Stretching &Flexibility“ geht ebenso detailliert darauf ein.

Partnerpositionen:

Hierbei handelt es sich um Dehnübungen bei denen ein Partner („Stretcher“) die zu dehnende Person („Stretchee“) aktiv dehnt. Die Partnerpositionen sind eine wahre Goldgrube an Übungen im System. Hier lohnt es sich Zeit zu investieren; man kann es nicht oft genug betonen. Während sich Leute wie Thomas Kurz öffentlich gegen Partner-Stretching aussprechen ist es bei Kit zentraler Bestandteil des Systems. Besonders wichtig: Der Stretchee hat immer volle Kontrolle über die Position und kann sich jederzeit sicher daraus befreien. Das einzige Problem: Leute schauen oft skeptisch, wenn man sie bittet sich auf einen zu legen, setzen, … 😉

Einige der für mich größten Vorteile des Systems:

  • Umfang:

Vom kleinen Zeh bis zum Unterkiefer – Es gibt für wirklich alles eine Übung.

  • Skalierbarkeit/Progressionen:

Ob Profi-Athlet oder Großeltern, komplette Skalierbarkeit der Übungen für jedes Level.

 

  • Reduktion von Muskelspannung im Alltag:

Fakt ist, wer nicht weiß wie sich „entspannt“ anfühlt wird es auch im Alltag nicht sein. Viele Menschen tragen viel mehr Spannung mit sich herum als überhaupt notwendig (Stichwort: Katze). Wer lernt sich in einer fordernden Position zu entspannen, kann diese Einstellung in den Alltag übertragen.

Verspannter Kiefer? Hilfe naht!

Materialien zum Einstieg:

Zum Einstieg empfiehlt sich entweder Kits Buch „Stretching &Flexibility“, welches im Kursformat aufgebaut ist oder die „Mastery Series“ im Videoformat (unten verlinkt). Zur täglichen Mobilisierung der Wirbelsäule empfehlen sich die „Daily Five“ aus dem Buch, welche auch im Forum kostenfrei erklärt werden: http://kitlaughlin.com/forums/index.php?/topic/374-the-daily-five/#entry1625.

Für Freunde vom Buch „Becoming Bulletproof“ eine, wie ich finde, gelungene Ergänzung für die tägliche Routine, besonders wenn man sonst viel sitzt.

Details, Details, Details!

Die Wichtigkeit von Details die in einzelne Übungen einfließen ist gewaltig. Tipp: Präge dir die Hinweise für eine bestimmte Position gut ein, auch und gerade dann, wenn der eine Übung einfach aussieht. Minimale Änderungen in der zu haltenden Position sind oft der Unterschied zwischen „Ich spüre nichts“ und „Oh mein Gott!“. Wiederhole wenige Übungen oft und versuche dich noch genauer mit den Übungen auseinanderzusetzen. Manchmal braucht es etwas Zeit bis es „klick“ macht, aber es lohnt sich.

Achtsamkeit, Entspannung, Atmung

Suche dir eine ruhige Umgebung für dein Stretching. Heavy Metal und maximale Muskelentspannung passen einfach nicht zusammen. Achtung, Paradigmenwechsel: Gebe nicht alles wie beim Krafttraining, sondern versuche so viel wie möglich gehen zu lassen! Stretching ist kein Hochleistungssport. Die Atmung spielt eine zentrale Rolle. Bewusst ein- und ausatmen ist hier wichtig. Versuche dich bei jedem Ausatmen tiefer in die Dehnung zu bringen. Frage dich: „Wie fühlt sich das an?“ und „Was kann ich machen um mich noch mehr gehen zu lassen?“. Entspanne alle Muskeln die nicht zwingend für einen bestimmten Stretch notwendig sind und wiederhole diesen Gedankengang durchgängig während einer Übung.

„Wie oft?“, „Wie lange?“, „Was ist der beste Plan?“

Hier werden keine klaren Antworten gegeben, was viele etwas verwundert. Dennoch: Es funktioniert überraschend gut. Ausprobieren und auf den eigenen Körper hören lautet die Devise. Lerne dich kennen, schaue was funktioniert und was nicht.

Dennoch ein paar grobe Leitlinien für den Anfang:

 

  • Starkes Dehnen pro Muskelgruppe empfiehlt sich alle 4-7 Tage. Lockern jeder Muskelgruppe („Limbering“) täglich ist kein Problem, in die Vollen gehen öfter als oben genannt bringt nach Erfahrung keine großen Vorteile.
  • Contract-Relax: In eine ausreichend dehnende Position bringen, 10-30 Sekunden statisch halten und dann 6-10 Sekunden Kontraktion der zu dehnenden Muskeln (größerer Muskel = Längere Kontraktion).

 

  • Nach der Kontraktion: Entspannen, tief einatmen, beim Ausatmen bewusst versuchen die betroffene Partie zu entspannen und weiter in die Dehnung zu gehen.
  • Zwei bis drei Runden Contract-Relax reichen oft. Ausprobieren, oft merkt man selbst wann es reicht.

Meinungen zum Ballistic Stretching:

Wer der „Movement Culture“ und Leuten wie Emmet Louis folgt weiß, dass dynamisch Dehnen zurzeit etwas im Trend liegt. Kit hat selbst ein paar Experimente dazu mit gutem Erfolg durchgeführt. Dennoch erzählte er mir, seine Meinung geht eher dahin, dass es für Anfänger nicht wirklich nötig ist. Bis ein gewisses Level erreicht ist (z.B. Vorbeuge mit Handflächen auf dem Boden), reicht intensives Dehnen alle 4-7 Tage pro Muskelpartie oft locker aus und spart zudem Zeit.

Häufige Schwachstellen:

Hier beziehe ich mich auf meine eigenen Erfahrungen. Die folgenden Bereiche habe ich früher oft gar nicht erst gedehnt. Ich kann mir vorstellen dass dies bei vielen auch der Fall ist. Deswegen, nehmt euch unbedingt auch Zeit hierfür:

  • Hüftbeuger: Wer viel sitzt (und das tun wir alle) gibt seinen Hüftbeugern lieber etwas mehr Liebe! Generelle Verbesserung der Haltung, Verbesserung der Brücke und Entlastung des unteren Rückens dabei, sauberere Front Splits, … – die Vorteile scheinen grenzenlos. Der Klassiker, unbedingt ausprobieren:

Partner assisted Hip Flexor Stretch. Eine sanftere Variante findet sich hier.

Hier ein Video dazu.

  • Extension der Brustwirbelsäule: Auch hier lohnt es sich Zeit zu investieren. Stichwort Brücke und mal wieder tägliches Sitzen.

Links:

Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte findet hier noch viele Referenzen. Und das Wichtigste: ausprobieren! Wenn man sich nur die Bilder anschaut und die eine oder andere Position teilweise belächelt, wird man oft überrascht sein beim Ausprobieren.

 

Wer bis hierhin mitgelesen hat – vielen Dank! Bei Fragen schreibt einfach unten in die Kommentare oder schickt mir eine Mail. Mittelfristig plane ich Stretching-Workshops im Rhein-Main Gebiet, um dieses tolle Konzept und mein erlerntes Wissen weiterzugeben. Wenn ihr Interesse habt könnt ihr mir gerne schreiben an: nastrex AT gmx PUNKT de.

Frohes Dehnen! Markus

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Vielen Dank an dieser Stelle für die ausführliche Beschreibung.

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Die Rechte der Bilder liegen bei Markus Ott und wurden mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt!

3 Kommentare

  1. Hallo Markus,

    vielen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag.

    Ich war im November 2014 bei Kit Laughlin in Piacenza/Italien beim "Stretch Therapy for Gymnastic Strength Training"-Workshop.
    Für mich war es eine Offenbarung, was das Thema Stretching und Beweglichkeit angeht.
    Ich habe seitdem 1 Jahr lang jede Muskelgruppe ca. 1-2 mal pro Woche intensiv gedehnt und dabei unglaubliche Fortschritte gemacht.
    Ich kann alles was du geschrieben hast doppelt und mit Ausrufezeichen unterstreichen.
    Besonders gefällt mir auch die ruhige Art von Kit, der es in keinster Weise nötig hat, sich mit Marketing-Blabla und Hype in der Vordergrund zu spielen. Kit hat über 30 Jahre Erfahrung auf dem Gebiet und er weiß von was er spricht.
    Toll dass du als sein "verlängerter Arm" Seminare in Deutschland anbietest.
    Vielleicht lässt sich da auch mal was mit Thomas, Oliver und Dominik gemeinsam anstellen 😉

    Viele Grüße (auch an Thomas) und viel Erfolg mit den geplanten Workshops
    Markus

  2. Hey Markus, danke für deinen Beitrag! Ja Kit ist schone in netter Kerl. Was ich nicht im Artikel erwähnt habe ist ja die Offenheit des Systems und die nicht-monetäre Vermarktung. Es hinterlässt einfach ein gutes Gefühl und ist absolut keine Abzocke. Kit stellt einem frei die Techniken für sich selbst weiter zu verwenden und ist froh wenn es unter die Leute gebracht wird. Man muss nicht gleich Angst vor einer Abmahnung haben wie bei anderen Systemen. Insgesamt geht es hier in allen Belangen absolut fair und ehrlich zu.

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  1. Stretching Secrets Part 1 – Trainingsnomaden

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